Handstickerei

Die Appenzeller Handstickerei ist aus verwandten einheimischen Gewerben der Leinwandweberei, der Baumwollspinnerei und der Kettenstickerei hervorgegangen.

«D Fraue ond d Saue ehaaltid s Land», lautete das geflügelte Wort zur Hochblüte der Appenzeller Handstickerei. Aufgekommen ist das gewerbsmässige Verzieren von Textilien – zuerst mit Grob- und Kettenstickerei – um 1800. Bis 1914 lebte ein Drittel der berufstätigen Bevölkerung Innerrhodens davon. Gestickt wurde allerdings nicht für den Eigengebrauch und selten für Einheimische. Die aufwändig bestickten Kostbarkeiten waren teuer und weltberühmt.

Mit Sticken verdiente manche Innerrhoderin den Lebensunterhalt für die Familie. Eine Zeit lang war die Handstickerei für den Kanton überlebenswichtig. Die Mädchen lernten schon im Primarschulalter die ersten Stiche und halfen nach dem Schulunterricht und in den Ferien mit, die Aufträge zu erfüllen.

Stundenlang sass die Stickerin am Stickstock am Fenster; in der Dämmerung beleuchteten, mit Wasser gefüllte Glaskugeln die Arbeit. Mit Platt-, Stepp- und Figurenstichen, mit Hohlsäumen und feinen Durchbrucharbeiten zauberte sie eine Vielfalt von Motiven auf Taschentücher, Trachtenkragen, Unterwäsche und Aussteuerwäsche –  sogar für Königshäuser.

Die Stickerei florierte derart, dass ganze Geschäftszweige daraus entstanden wie die Ferggerei (Händlerinnen  und Händler und Lieferanten der Rohware) und später Textilfabriken, die sich auf die Herstellung von Taschentüchern und Foulards verlegten, als die Handstickerei weniger gefragt war. Heimarbeiterinnen übernahmen das Roulieren (Handsäumen) der Stücke.

«Weltwunder der weiblichen Geschicklichkeit» wurde die Innerrhoder Handstickerei genannt. Die mit weissem oder zartblauem feinen Garn auf Baumwollbatist gestickten Motive und Ornamente haben Stickereizeichner und oft Künstler entworfen.

Manche Innerrhoder Unternehmerin und einige Fabrikanten eröffneten in Schweizer und ausländischen Nobelkurorten Stickereigeschäfte.

Mit dem Aufommen der Maschinenstickerei und vor allem, als ab den 30er-Jahren aus Asien billigere Stickereien Europa überfluteten, war die wertvolle Handarbeit vom Aussterben bedroht. Heute sticken noch einige wenige Frauen in Innerrhoden im privaten Rahmen und tragen damit zum Erhalt des Kunsthandwerks und auch der Festtagstracht mit ihren gestickten Teilen (Kragen und Stulpen) bei.

 

Das Museum Appenzell an der Hauptgasse beherbergt eine international beachtete Stickereisammlung.